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Sonntag, 1. September 2013

Zleovo 1

Kleiner Abstecher nach Zleovo (Mazedonien) zu Nikola

Muss ich wissen warum? - Muss ich nicht. "Bauch-Entscheid", heisst das in der Psychologie.
Es ist auch Teil meiner grossen Rentner-Freiheit: Plane, was du planen magst - und tue, was du tun magst.

Ich fuhr also 500 km südwärts in die südöstliche Ecke von Mazedonien, nahe der bulgarischen und griechischen Grenze. Nach Zleovo, wo es mehr Maulesel-Fuhrwerke als Autos hat.
Erste kleine Überraschung: Die Zufahrt zum Dorf ist wegen der eingestürzten Brücke nicht möglich. Aber da fährt doch einer zum Flussbett hinunter! Kann ich das auch?


Und warum gerade in dieses Dorf? Wegen einer Liebe natürlich - wegen Nikola.

THE story of Nikola
St.Gallen, Zürcherstrasse: Ich rauchte vor Rascheds Restaurant eine Zigi, als ein mir nicht bekannter Mann vorbei spazierte. Bzw. eben nicht vorbei. ("Spazieren" ist wichtig - see later.) Das dreiste Männchen lächelte. Mich an. ...und wir wurden Freunde. Er war bei einer seiner Töchter in St.Gallen zu Besuch, lebt aber in Mazedonien. Ein halbes Jahr später war ich das erste Mal bei ihm zu Besuch, hier in Zleovo.





Und jetzt also mein zweites Mal in Zleovo. 
In Zleovo "spazieren". Das heisst: Einige Häuser weiter zu Besuch gehen. Zu irgendwie Verwandten oder zumindest "ganz gute Kamerad". Kaffee trinken. Oder Raki trinken. Nicht "oder" - "und"! "Muss trinken!", und dann "200 Jahre nix tot!" (eine von Nikolas Standard-Weisheiten). "Spazieren, kucken, trinken, essen, schlafen" ist die Hauptverbengruppe. "Vielarbeiten" steht dieser als weiteres Verb gegenüber.

Seine Frau ist (ohne Raki...) vor fünf Jahren gestorben. Mit ihm leben eine seiner Töchter, Silvana, und deren zwei Töchter (um die zwanzig) zusammen. Winwin auf bescheidenem Niveau: Er hat durch seine Rente und den Tabakanbau ein kleines Einkommen, Silvana führt den Haushalt, und die zwei Girls können eine Ausbildung machen.

Heute führte mich Nikola zum Friedhof, am Rand des Dorfes gelegen. Mit Kamera-Befehl. Wir spazierten also zum Friedhof, wir kuckten die Gräber seiner Frau, seines Bruders und seiner Eltern an, dann kuckten wir einer Jahrestags-Feier (orthodox) zu und schlossen uns dem zweiten Teil (essen und trinken) an. Zurück zu Hause waren wir müde, satt und slightly drunk und legten uns also ein bisschen schlafen. Voilà: Sie kommen immer zusammen, die 5 Verben. The holy five.

Was ich an den Religionen liebe, sind die Bräuche und Bräuchlein. Chapeau an alle, die über Jahrhunderte mit viel Phantasie daran gearbeitet haben! (Ich habe als Kind auch freitags Fisch zu essen, einmal jährlich Asche auf den Kopf gestreut und grundsätzlich einen Palmenzweig unter die Maratze gelegt bekommen.) Schön sind oft auch die Anpassungen an die modernere Zeit, welche diese Bräuche über sich ergehen lassen müssen. Beispiel folgt:
Da wurden also die Vor-einem-Jahr-verlassen-wordenen auf dem Traktoranhänger zum Friedhof geschüttelt. Und mit ihnen allerlei Leckeres zum nachfeierlichen Verzehr. Zuerst wurde selbiges aber liebevoll aufs Grab gelegt. Brot, Süssgebäck, Mus und Müesli, Kaffee, Sinalco, Cola usw. wurden vom weihröchelnden Pope besungen. Dann Szenenwechsel: ab ins Betongebäude an die Festwirtschaftstische. Frauen und Kinder links, Männer rechts. Als Erstes wurden allen Plastiksäcklein hingelegt, je ein helles kleines und ein grünes etwas grösseres. Dann wurde alles Mitgebrachte gleichmässig verteilt - Oliven, Waffeln, Brötchen, Schöggeli, Käse, ... see picture). Und auf los geht`s los! (Auf der Männerseite tauchten dann auch noch Schnaps und Bier auf.) Nach einer knappen Stunde war Ab- und Aufbruch, und eben: jetzt kamen die Plastiksäckli zum Zug. Das kleine fürs Süsse, das grüne fürs Gröbere.








Beim Grab der Frau und der Eltern:




Kaffee und mehr bis in die Ewigkeit:


Hier das Beispiel für die sündigenden Lebenden:                                            like?      dislike?