Richtig, mit Schwänzchen. Also Pitescht. Das Schluss-„i“ wird nicht gesagt.
Die
rumänische Sprache ist ein eigenes Ding. Einerseits eine der urtümlichsten
lateinischen Sprachen, andererseits voller Spezialitäten. Viele Wörter sind
einzeln gut verständlich, da dem Italienischen oder Französischen sehr nahe,
aber als Wortschwall, auch wenn dieser noch zweimal und lauter wiederholt wird,
ist sie schwer zu knacken. Dass „trei“ 3 heisst, ist ja ok, aber warum muss 4
„patru“ heissen? Jedenfalls ist das Zuhören, wenn man „curios“ ist,
„interesant“ und nicht „plictisitor“ (langweilig). Lampe = lampa – Leben=viata –
Leiche=cadavru – Libelle=libelula – Licht=lumina - Liebe=dragoste – Lust=pofta.
Eben: Für Leichen und Libellen haben sie anständige Wörter, aber wer hat schon
pofta auf dragoste? Und „sarut“ ist nicht ein militärischer Befehl, sondern ein
Kuss! Und wer mit Kadavern und Lieb-ellen seine Probleme hat, kann sich im "Cabinet de P." erleichtern.
Habe also
heute das Manasterea Caluiu verlassen. Unterwegs habe ich einige typische
Häuser fotografiert. Nein, keine Plattenbauten. Diese Fassaden ziehen zwar den
Blick immer wieder an, so wie er im Bus von einer Behinderung oder
Entstellung eines Gegenübers angezogen
wird. „Mami, warum hat dieser Mann ein kaputtes Ohr?“ – „Schau, da fährt gerade
ein Tram vorbei!“ Und warum haben diese hässlichen Häuser Balkone? – Damit man
besser hinaus kotzen kann. Soviel zu den Plattenbauten. Fotos davon mache ich
keine.
Ich kam nach
Pitesti. Über diese Stadt steht nichts im Reiseführer. Dafür im internet zwei Dinge: Hier befinde sich ein
grosses Renault/Dacia-Werk, und hier seien um 1950 herum Gefangene gezwungen
worden, „einander zu foltern, zu töten oder zu Kommunisten zu erziehen.“ Dies sei als „Pitesti-Experiment“ bekannt
geworden.
Zur
Begrüssung hatten sich ein paar AKW-Kühltürme an den Stadtrand gestellt, und
eine Erdöl-Raffinerie setzte Rauchzeichen. „Very nice, yes!“, werde ich wohl im
englischen Teil schreiben. Möchte mir dieses Städtchen noch genauer anschauen.
Vielleicht hat es ja auch seinen Charme, wie die englische Stadt Coventry (auch
eine Auto-Stadt, auch geschichtlich belastet durch das von den Nazis gebildete
Wort „coventrieren“ = dem Erdboden gleich niederbomben). Und oft gibt`s in
solchen Städten kultige Fussballclubs (siehe Ruhrpott oder eben „Hey, come on,
Coventry City!“).
Da es schon
gegen Abend zu ging, wollte ich mir zuerst einen Campingplatz suchen. Das
heisst, ein Kloster. „Entschuldigung, scuza, können Sie mir sagen, wo das
nächste Kloster ist?“ – „Fahren Sie an den Kühltürmen vorbei, dann alles
geradeaus bis zum Renault/Dacia-Werk und dort zweigen Sie rechts ab.“ (Kein
Witz!) Anfangs des kleinen, schmalen Tales fragte ich zur Sicherheit nach. Ein
Mann im Sondermüll-Trainer stieg gleich ein und lotste mich durch die enge
Dreckstrasse. Beidseits der Strasse diese kleinen Häuser mit Zaun und Leuten
davor. Und dann standen wir auf dem Vorplatz des Klosters. Des nicht mehr
existierenden Klosters! Eine Kirche späteren Datums steht auf dessen Ruinen.
Und der Vorplatz: etwa 20 x 20 Meter. Wie wenden? Ich habe doch die Deppen, die
hilfsbereiten, noch extra gefragt, ob ich dann dort auch wenden könne. „Nu
problema!“ Ist das ihre Art, potente Steuerzahler ins Dorf zu holen? Was machen
Raucher in solchen Situationen? – Ich tat es. Und überlegte mir in tiefen
Zügen, wie ich da wieder weg komme. Während mein Lotse einen begeisterten
Wortschwall, wieder und wieder, über das vor 500 Jahren hier, ja, genau hier,
und zwar von hier bis dort erbaute Kloster auf mich niederprasseln liess. Und wer hat`s vermiest, alles, und ist jetzt
schuld, dass ich hier wohl zwangseigebürgert werde? Die Türken! „Unser Gott ist
stärker als euer Gott!“ Hätten ja wenigstens die geschleiften Wälle mit einem
schönen Parkplatz überziehen können, für spätere Wall-Fahrer.
200 Meter
oberhalb befindet sich der „cimitir“. Gerade musste ein Rössli seinen Wagen den
steilen Hügel hinaufzerren. Kann meines auch. Mit Untersetzung. Hinauf und auf
der schrägen Wiese davor wenden! Das Manöver ist erst zur Hälfte ausgeführt,
denn hier oben könnte ich doch ein bisschen bleiben und die Aussicht mit den
Insassen des cimitir teilen.
Inzwischen waren
die Frau und die erwachsenen Kinder des Lotsen eingetroffen, und der Mann aus
„Elvetia“ (jawolll, mit!) servierte einen Kaffee. Eckdaten-Austausch: Alter,
Ehefrau („sotie“, ja, mit!!) und Beruf. Lieferwagen-Chauffeur scheint eine
Arbeitsmöglichkeit zu sein. („S“ mit! ergibt „sofer“.)