und über schlechte Strassen gelangte ich nach Constanta. (Das Schwänzchen am zweiten "t" macht daraus Constanza.)
Landung geglückt - zentral - mit Wachhunden.
Der erste
Teil führte, immer in Küstennähe, durch flaches Gebiet mit grossen Feldern. Ein
Novum war, dass die Anzahl der Traktore und Landwirtschaftsmaschinen grösser
war als die der Pferdefuhrwerke. Landwirtschaft kann stinken – gut oder
schlecht. Hier stank sie schlecht. Ein Piss-Halt musste reichen, um dieser
Landschaft meine Ehre zu erweisen.
Dann änderte
sich das Bild und mit ihm der Geruch. Industrie-Landschaft. In diesigem Licht
präsentierten sich rundherum alle Formen von Industrieanlagen. Türme, Masten,
Kessel, Leitungsröhren, Kamine, Metallzäune . . . Gut, dass ich den Piss-Halt
schon hinter mir hatte.
Eine
Steigerung war aber noch möglich – und hätte einen gezielten Kotz-Halt
verdient: Mamaia. Ein herziges Ferienbadeörtchen. Kilometerlang, das Meer immer
ganz nahe, aber nie sichtbar, verdeckt durch riesige Hotelbauten, alle mit Sternen und schönen
Namen, Restaurants und andere leuchtschrift- und palmendekorierte Lokale des Glücks. Vieles noch am Entstehen, um das Vergnügen quantitativ zu
vergrössern. Zum Glück können sich 90% der Rumänen keine Ferien leisten, so
bleibt ihnen wenigstens das erspart. Mamma mia Mamaia!
Es folgte
nahtlos Constanta. Es scheint mir eine Stadt zu sein, die meiner Definition von
Städten entspricht: Statt einiger Häuser Hunderte von Häusern, statt einiger
Strassen Hunderte von Strassen, statt einiger Autos Hunderte von Autos, statt
einiger Freude Hunderte von Freuden… Ich stelle mir vor, ich lebe hier. Und
habe das Glück, Arbeit und einen Dacia Logan zu haben. Ich fahre täglich die Strecke
Constanta – Mamaia – Zementfabrik – retour. Eines Tages würde ich am Zementkessel
vorbeifahren. Einfach weiter. Durchstarten. Nach Babadag. Vorher hätte ich aber
noch angehalten und mir in der Confiserie „Sprüngliu“ eine Tortu als Proviant
gekauft. Beim netten Fräulein mit Namenschildchen am gestreiften Blüsli. Mamma mia!
7.11. Was
ich gestern bei der Ankunft und dem ersten Rundgang in Constanta übersehen
habe: Es gibt hier Menschen. Was es nicht mehr gibt – und daher wird sie neu
gebaut! – ist eine Altstadt. Deren
Durchquerung zwang mich mehrmals aus dem Sattel und ich musste das Velo tragen,
so emsig (und halt auch buzin chaotisch) wird da gebaut. An das alte Casino,
das Wahrzeichen Constantas, hat man noch nicht Hand angelegt. Die
Bauabsperrungen enden gleich davor. Hier kann man tatsächlich nur Geld hinein-,
aber nicht hinaustragen.
Dass die „Turtschis“ mal hier waren, ist nicht zu übersehen.
Der auf einer grossen und lärmigen Strassenkreuzung Panflöte spielende Zigeuner hat mir später beim Kaffee erzählt, eine seiner Töchter sei in der Schweiz. Auf welchem Bahnhof sie dort schläft, wusste er nicht. Er jedenfalls schläft auf dem Gara von Constanta.
Lustig ist immer wieder, wer mich eindringlich ermahnt, auf meine Habe aufzupassen. „Pass auf, wenn du dort oder dort hingehst. Die Zigeuner klauen alles.“ Und Ilje, der Panflöten-Zigeuner, war im Gärtchen der kleinen Kneipe überbesorgt mein neben mir stehendes Velo betreffend. Es habe hier überall Zigeuner… Imagepflege? Nein, es war Ablenkung. Denn nachher hatte ich zwar noch das Velo, aber das Portemonnaie, der Fotoapparat, das Handy, die Uhr, die Zigaretten, die Brille, die Jacke, das Hemd und sogar die Schuhe, alles war weg. Werde es gelegentlich in den Unterhosen auf dem Bahnhof Olten abholen.
Beim Casino
wurde ich von Florin angesprochen. Auf Französisch. Il est là presque tous les jours, parce qu`il travaille
comme peintre. Spezialität : . . . das Casino ! Und Karikaturen der
Passanten. Lorse qu`on discutait de la Roumanie et de la vie en général,
vergrösserte sich die Männergruppe nach und nach. Erst kam Gabriel dazu
(er kann Deutsch, war eine Zeit lang in Worms, dort, wo einst Luther…). Er
verteilte Handzettel, die zu einer Demonstration gegen die Art der
Ausbeutung von Gas und Bodenschätzen
aufrief. Der nächste war Jean, ein sehr höflicher und zurückhaltender
Handwerker. Dann ein kleines, sehr altes und scheinbar allseits beliebtes
Männchen. Nicht ganz dabei, ein paar Meter abseits, der ehemalige Matrose und
jetzige Alkoholiker, der durchaus das Zeug für die Kleinzirkusmanege hätte.
Zum Abschied
machte mir der Peintre ein Cadeau: „Caricature avec nez expressive!“
O Constanta,
fast hätte ich mich gestern voreilig in dir getäuscht . . .