Neptun, Jupiter, Venus und Saturn.
Jetzt bin ich hier, in Mangalia, dem südlichsten Ort an der Schwarzmeerküste, wenige Kilometer vor der bulgarischen Grenze.
Diese Orte sind natürlich nicht alt, und man musste Namen finden für sie. Der Ceauceschi himself kam dafür wohl nicht in Frage, mangels Phantasie. Dann schon eher seine Elena. Die hat immerhin einen Doktortitel erschwindelt. Die spätere feile Marktwirtschaft wäre sicher auf andere Namen gekommen, ähnlich wie sie heute Fussballstadien mit diskreten Leuchtlettern Identitäten geben darf. Ich denke, es war ein in einem tristen Planungsbüro gestrandeter Naturwissenschaftler, der diesen Orten auf dem Reissbrett die Arbeitsnamen „Jupiter“, „Saturn“, „Neptun“ und „Venus“ gab. Und wegen eines Versehens oder Missverständnisses hat man tatsächlich die entsprechenden Ortsschilder hingepflockt. Anyway, bei einem Schild habe ich unter den Namen gesprayt: „I was here“.
Mangalia ist
anders. Es hat einen blumigen Namen, der erst noch nach Ferne klingt, und es
hat Geschichte. Griechen halt und Mittelalter und Türken. Das spürt man. Dicke
Türme der einen und ein dünner der andern Religion stehen in gebührendem
Abstand voneinander. Eine ältere Frau (wohl etwa zehn Jahre jünger als ich) hat
sich auf dem Beifahrersitz x-mal bekreuzigt, bis ihr Mann das Auto starten und
abfahren durfte. Gut, war auch ein sehr
alter Renault. Die Moschee steht als Gebetshaus einer Minderheit etwas
versteckt und schweigend (!), dafür leicht idyllisch inmitten von Bäumen und
Gräbern. Dann gibt es noch, wie in allen Orten Rumäniens sehr zahlreich, eines
dieser der Zeit entsprechenden Gebetshäuser, welche das Heil sofort aufs
nächste Wochenende versprechen, diese Instant-Bet-Lokale, ständig offen, modern
anglisiert im Namen, das Stanley-Bet-Lokal. Wird als neue, aufstrebende
Religion sehr gut frequentiert.
Eine andere, auch ganz Rumänien betreffende Sache, sind die Kleiderläden. In jedem dritten Haus hat es einen, und da dies nicht reicht, stehen überall baracken- und budenartige Kleiderhäuschen herum. Second-hand-Läden, Kinderkleiderläden, Kleiderboutiquen, Modegeschäfte… Daher ein dringender Aufruf an den Rest Europas: Sendet bitte keine Kleider nach Rumänien! Rumänien erstickt in seinen Kleiderbergen! Wer wirklich etwas tun will für dieses Land, buche einen Flug und komme hier shoppen. Mailand, Paris und London sind out. In wird bald sein: Vom Flughafen mit einem gemieteten Dacia in ein rumänisches Präriekaff hottern. „Adventure-clothing“ zum Billigtarif! Im Ernst: Knüpft Flickenteppiche mit euren Klamotten und schenkt diese der Ikea!
Ein Kleiderladen hat gar nicht erst geöffnet, nämlich der mit Berufskleidern im Angebot. Wäre ja auch zynisch, den Arbeitslosen Berufskleider anzudrehen.
Dazu passt die „Tschubuk-Geschichte:
Cristian, der Wächter der Nacht, hat ja keine Arbeit mehr. Aber er bemüht sich darum, und wie! Heute hat er mir am Telefon erzählt, er habe gestern den ganzen Tag in einer Autowäscherei gearbeitet. Eine Aussen- und Innenreinigung koste 30 Lei. „Und weisst du, was ich nach der Arbeit gemacht habe? – Ich habe mir mit den 13 Lei Trinkgeld ein Päckli Zigaretten gekauft.“ „Und den Tageslohn hast du hoffentlich brav deiner Frau abgegeben!“ Nun, da war kein Tageslohn, da waren nur diese 13 Lei „ciubuc“, Trinkgeld. Jetzt hat doch der Liebste einen Kollegen gefragt, ob er ihm beim Auto-Waschen helfen dürfe, in der Hoffnung, ein paar Lei Trinkgeld abzubekommen… Macht also einen Stundenverdienst von 1 Leu 50. Anders ausgedrückt: 55 Rappen oder 2½ Zigaretten! „Listen to me. I can do any work for anybody for 1 or 2 Lei.” Er sagt es ruhig und im Ernst und ohne Unterton der Verzweiflung. Cristian este barbat foarte bun!