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Montag, 18. November 2013

10 Zwetschgen für 1 Hallelujah

Vieros freut sich. Anca hat Geburtstag.

Vier Jahre alt ist sie. Party mit Nachbars-copii. Spielchen und „tort“. Sie quietscht.


Aber nicht nur deswegen werden die Fahnen hochgezogen. Es riecht noch nach mehr.

Pitesti ist eine Industriestadt. Rundherum sind Dörfer?Orte? ohne Anfang und ohne Ende, ohne Mitte und Herz, dafür mit Kaufhaus und Lidl, mit Tankstellen und Lichtsignalen, mit Bahnübergängen und Sicherheitszäunen. Mit neuen, breiten Strassen von wo nach wo, gebaut von den Francesi und Italiani, um ihre Fabriken und Industrieparks zu verbinden. Und Häuser halt auch - für die Menschen, und dazwischen ein "Magazin Mixt" mit Bier, Wasser und schlechtem Brot.
Fünf Kilometer davon entfernt befindet sich Vieros mit seinen zwei unasphaltierten Dorfstrassen, alten und meist ärmlichen Häusern, Pferdefuhrwerken, Holz schleppenden Weibern, streunenden Hunden, frei laufenden Kühen und Pferden und der Kirchenglocke auf dem improvisierten Holzgerüst. Aber schön gelegen im kleinen Tal zwischen Wäldern und Weiden. The romantic way of no future.
An der Schnittstelle dieser zwei rumänischen Welten steht eine Cafeteria. Ein moderner Neubau mit Glasfront und Terrasse. Nicht einfach hingestellt. Mit Prädikat „Architektur“ (geplant von Schweizer Architekt). Mit George Clooney-Nespresso. Tische Holz massiv. Boden Eiche. Zucker in Schäleli. Milch in Chrüegli. Im unteren Stock das Ristorante Italiano. Pizza und Pasta buonissima. Davor ein Auto mit Berner Kontrollschildern. Darin eine hübsche, quirlige rumänische Chefin. Was fehlt, ist ein Schild an der Eingangstür: „Man spricht Deutsch“. Beziehungsweise: „Mir verstöh Bärndütsch“.


Isabella heisst der Engel mit den roten Lippen. Sie hat einige Jahre in der Schweiz gearbeitet. Offensichtlich aber mit offenen Augen und Ohren. Sie kennt den Monte Bré, das Stade de Suisse, den Bahnhof Olten, Wilhelm Tell in Altdorf, den Furkapass und schätzt an St.Gallen die Bratwürste mehr als den Dialekt. Sie hat Geld gemacht, und sie macht Geld. Jetzt mit den Dacia-Herren aus dem richtigen Europa. Und hinter ihrem Make-up ist ein lustiges Gesicht. Und dahinter ein kluges Hirn. Und, mai jos, weiter unten, ein gutes Herz.
Daher kann die Fahne am Cosmin-Häuschen bald gehisst werden. Es riecht nach Arbeitsstelle!

Und wie war es vor zwei Monaten? – Ich lande oder strande in diesem Vieros, stelle das Rolling sweet home auf den Hügel zwischen Kirche und Friedhof, setze Kaffeewasser auf, und draussen steht einer mit ein paar Zwetschgen auf einem Teller und ruft: „Signorina!“.



Campulung war mal die Hauptstadt Rumäniens. Weitere Städte waren es auch schon.

Campulung liegt in den Karpaten. Dort ist es schön, wenn die Herbstsonne scheint. Und sie schien.


Weiter durch die Karpaten Richtung Brasov kommt man nach Dambovicioara. Ziemlich bergig, so emmentalmässig. Es wird auch überall Käse verkauft. Von knorrigen Männern und gewichtigen Frauen. Kühe weiden am Bachrand, und Holzscheunen stehen ferienprospektwürdig auf den gemähten Wiesen. Pensionen und Hotels erinnern sanfttourismushaft an Dörfer in Walliser Tälern. Die Strasse windet sich durch steile Felswände wie in … Eben: Die Vergleiche mit Schweizer Orten wollen sagen: „Hei, es ist wirklich schön hier!“






 
Man gelangt dorthin, wenn man zu sechst in einen Opel Astra sitzt. Dieser braucht aber Benzin. Und die paar getankten Liter sind einmal aufgebraucht. Dann muss man wieder ein paar auftanken. Und diese sind auf dem Rückweg mitten in der Dunkelheit auch plötzlich aufgebraucht. Dann muss man die Warnblinkanlage einschalten und überlegen. Aber irgendwann ist man zu Hause und isst Mamaliga mit Käse gefüllt. Es fehlt vielleicht etwas zu trinken dazu. „Christoph, hast du 15 Lei, dann gehen wir ein Petfläschli Schnaps kaufen?“